Moselsteig 2020-2024 – eine Bilanz
Insgesamt 35 unternehmungslustige Wanderer und -innen, vier Jahre, 20 Etappen mit zusammen mehr als 400 Kilometern, vier Weinproben und ein Corona-Test: Das sind die nackten Zahlen unseres Unternehmens Moselsteig. In Erinnerung geblieben sind zahlreiche unvergessliche Stunden auf einem der schönsten Fernwanderwege Deutschlands.
Dabei fing das Unternehmen alles andere als entspannt an, denn der Frühsommer 2020 war geprägt von der Corona-Pandemie. In den Wochen vor dem Tourstart schauten Wanderleiter und Sektionsvorstand regelmäßig auf die Zahlen aus dem Landesuntersuchungsamt und lauschten den Worten der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Zwei Wochen vor dem Start am 11. Juni war dann klar: Sportvereine dürfen in Gruppen von bis zu zehn Personen draußen unterwegs sein- natürlich mit genauen Hygienevorschriften und Abstandsregeln.
Und so startete die Tour mit 16 Teilnehmenden, die jeweils in zwei Gruppen unterwegs waren. Ein System, das sich absolut bewährte, mit dem wir uns schnell angefreundet haben und das wir auch später meist beibehalten haben.
2020: Von Perl nach Trier
Eingestiegen sind wir aus organisatorischen Gründen in Nittel und damit mit der zweiten Etappe – die erste Etappe von Perl nach Palzem war mit knapp 23 Kilometern einfach zu umfangreich nach der langen Anfahrt, sie wurde dann am zweiten Tag unter die Sohlen genommen. Geprägt war der Start an der Obermosel von einer offenen, weiten Landschaft, viel Wald und rebenbesetzten Hügeln. Infrastruktur gab es wenig, ein Kaffee unterwegs war nicht zu bekommen. Die Weinprobe gestaltete der ältere Winzer im Stil der 50er Jahre mit einem gewöhnungsbedürftigen Humor. Seine Altherrenwitze waren sogar dem Sohn peinlich, wir haben sie unter Kulturgeschichte abgehakt. Der Wein war aber hervorragend und mit dem Elbling haben wir eine Rebsorte kennengelernt, die zu den ältesten Europas zählt. In Erinnerung geblieben sind auch das Naturschutzgebiet Nitteler Fels mit zahlreichen seltenen Pflanzen und einem herrlichen Blick auf den Fluss, ein Hotel in Wasserliesch, bei dem wir den gesamten Bestand an Weizenbier weggetrunken haben (eine halbe Kiste 0,33-Liter-Flaschen, alle schon abgelaufen) und die Mariensäule in Trier, ein 41 Meter hohes Relikt aus der Zeit der Glaubenskämpfe.
2021: Von Trier nach Lieser
Corona war auch ein Jahr später noch das vorherrschende Thema. Alle Mitwanderer mussten einen Tag vor dem Start einen Test machen und am zweiten Wandertag einen zweiten in der Moseltal-Apotheke in Neumagen-Dhron. Und nicht nur die Corona-Tests meisterte die Gruppe souverän, auch vier lange Wandertage mit vielen Höhenmetern bei reichlich Sonne, etwas Regen und einem kurzen Gewitterschauer. Los ging es in Trier, der ältesten Stadt Deutschlands. Nach einem kurzen Stopp an der Porta Nigra, bei dem uns Bernhard und Andreas alles Wichtige zur Stadt erklärt haben, wanderten wir wieder in den Hang hoch über der Mosel. Über Schweich und das Schlachtfeld von Rigodulum (Treverer gegen Römer, 70 n. Chr.) ging es nach Neumagen-Dhron – bekannt durch das Neumagener Weinschiff, dessen Bild jedes Lateinbuch ziert. Dort nächtigten wir gleich zweimal. An einem Abend – wie könnte es anders sein – wieder mit Weinprobe, die diesmal ohne Altherrenwitze, dafür mit sehr vielen guten Infos daherkam. In Erinnerung bleiben werden auch die zehn Minuten im nebligen Morgenwald, bei der wir absolute Stille vereinbart haben. Ein mystischer Moment in vier Tagen voller schöner Erlebnisse, die sich nach der langen Corona-Zeit mal wieder wie Normalität anfühlten.
2022: Von Lieser nach Zell
Zwölf Monate später war Corona soweit überstanden und unsere Gruppe auf 25 angewachsen. Eine logistische Herausforderung am Fronleichnams-Wochenende, an dem Übernachtungsplätze ehr schwer zu finden sind. Wir machten aus der Not eine Tugend, nutzten Reginas gute Beziehungen zu Zeltingen-Rachtig und blieben diesmal alle drei Nächte im gleichen Hotel. Das hatte den positiven Nebeneffekt, dass wir an zwei Tagen mit nur kleinem Gepäck wandern konnten – angesichts der Hitzewelle mit Höchsttemperaturen von über 36 Grad eine willkommene Erleichterung. Die täglich nötigen Transfers mit Regionalzug und Bus waren zudem durch das gerade eingeführte 9-Euro-Ticket problem- und kostenlos zu bewältigen. Nach knackigen 23 Kilometern am ersten Tag, vorbei an zahlreichen bekannten Weinlagen wie dem Kröver Nacktarsch, erreichten wir das Kloster Machern mit großem Brauhaus im bayerischen Stil. Nach dem heißen Tag genossen wir zur Abwechslung mal diverse leckere Biere. Die obligatorische Weinprobe holten wir dann am nächsten Abend nach, diesmal in einem verwunschenen Garten. Das Wetter blieb bis zum Schluss ein Traum, aber die vielen schattenlosen Stunden in den Weinberger brachten uns auch an den Rand der Belastbarkeit. Deshalb wurde an zwei Tagen auch ein alternatives Programm mit weniger Laufen und etwas Schiffchen fahren angeboten. Die Tour endete nach vier traumhaften Tagen bei Eis und kühlen Getränken in Zell.
2023: Von Zell nach Pommern
„Same procedure as last year“ auch 2023: Wieder 25 Mitwandernde, wieder sehr heiß, wieder viele Höhenmeter und lange Wandertage. Und deshalb auch wieder eine Normal- und eine etwas kürzere Variante an jedem Wandertag. Gleich die ersten Kilometer von Zell steil hinauf auf den Collis-Turm hatten es in sich. Auch danach reihte sich Höhenmeter an Höhenmeter und Höhepunkt an Höhepunkt. In allen Bereichen Spitze ist der Calmont, der steilste Weinberg Europas, der den schweißtreibenden, steinigen Aufstieg mit einem unvergleichlichen Blick belohnte. Einen Tag später standen wieder Steine im Mittelpunkt: Auf dem „Kulturweg Mesenicher Steinreichskäpp“ haben wir die Stein-Kunst bewundert und an diesem Tag auch selbst Steine gesammelt. In abendlicher Runde haben dann alle etwas zu ihren Fundstücken erzählt. Waren wir in der ersten Nacht in Neef noch auf fünf verschiedene Unterkünfte verteilt, hatten wir in den beiden folgenden Nächten in der Jugendherberge Cochem alle beisammen und ungewohnt viel Platz. Das Städtchen gab sich auch alle Mühe, uns abends gut zu unterhalten – mit Weinfest (das diesmal die Weinprobe ersetzte), Nachtwächter-Führung und Feuerwerk.
2024: Von Pommern nach Koblenz
Das große Finale brachte noch einmal Mosel-Feeling vom Feinsten. Und die Erkenntnis, dass man sich sogar auf einem gut ausgeschilderten Steig verlaufen kann. Denn nach dem Aussteigen im Pommern hatten wir uns so viel zu erzählen, dass wir gleich mal den ersten Abzweig verpassten und ein ganzes Stück zurücklaufen mussten. Danach gabs dann ordentlich Regen – für uns eine ganz ungewohnte Mosel-Erfahrung. Vorbei an der traumhaft gelegenen und erhaltenen Burg Eltz erreichten wir Moselkern und von dort per Zug Kobern-Gondorf, wo zwei Übernachtungen auf uns warteten. Und ein tiefer Einblick in den deutschen Fachkräftemangel. Denn das Essen war teilweise ziemlich mau („Wir haben zu wenig Personal“) und dem Busfahrer mussten wir erklären, wo er langfahren muss (in englisch, deutsch sprach er nicht). In Kobern-Gondorf stand auch wieder eine Weinprobe auf dem Programm, die uns diesmal aber nicht wirklich überzeugte. Toll war dagegen die Besichtigung der Burg Thurant samt Kaffee und Käsekuchen. Den letzten gemeinsamen Abend (und die Nacht) verbrachten wir in der Sportschule Oberwerth in Koblenz, wo das Essen nicht nur viel billiger, sondern auch viel besser war als in den Hotels davor. Mit guten Getränken und einem Moselquiz endete der schöne Abend. Am Sonntag, den 2. Juni, war das Abenteuer Moselsteig dann beendet. Am Deutschen Eck in Koblenz, wo die Mosel in den Rhein fließt, haben wir so manches Tränchen und so manches Glas Sekt verdrückt. Und waren irgendwie auch ein bisschen stolz, nach insgesamt 20 Wandertagen und alles in allem rund 400 Kilometern das Ziel erreicht zu haben. Ein tolles Abenteuer mit vielen tollen Menschen ist zu Ende, wir freuen uns schon auf die nächsten Touren!
Text: Matthias Weber
Bilder: Teilnehmerinnen und Teilnehmer