! Basislager kann Meer !

Das Basislager, bekannt vor allen Dingen für die spektakulären Sommer- und Winteraufenthalte in den nahen und fernen Bergen, setzte sich diesmal ein neues Ziel: Die Eroberung der sieben Weltmeere. Da der Pazifik am Anfang als für zu groß erachtet wurde, fiel das Los auf das Mittelmeer. Doch auch hier sollten – wie kann es bei Basislageristen anders sein – einige Berge oder zumindest Klippen her. Bekanntlich treten die im Wasser versteckten Klippen und Berge aber nur in Form von Inseln zu Tage. Was lag also nahe: Die Suche nach einer geeigneten Insel. Die Wahl fiel, wie nicht anders zu erwarten, auf die „Karibik des Mittelmeers“ – Sardinien.

Hier vereinigt die Natur türkisblaues Wasser mit Stränden die voll von skurrilen Klippen sind. Einige sehen wie Tiere oder Ungeheuer aus. Durchbrochen werden diese Felsstrände von wunderbaren Sandbuchten – wie halt eben in der Karibik. Unweit des Festlandes schwimmen Inseln mit zum Teil stattlichen Bergen auf dem Meer. Sie reizen geradezu dazu, erkundet zu werden. Sardiniens Inland bietet außerdem die Möglichkeit von Wanderungen und Radtouren aller Schwierigkeiten und Längen. Abgerundet wird dieser Überfluss an Naturerlebnissen durch das schmackhafte mediterrane Essen, den typisch italienischen Espresso und den hervorragenden Sardischen Vino.

Berg, Bike, Bouldern, Boot

Unter dieses Motto stellten wir unser Inselabenteuer im Herbst 2017. Wir, das waren Irmi, Annette, Manni, Hüseyin, Jürgen und Guido. Unsere Unterkunft bezogen wir im Nordosten der Insel, 20 km südlich von Olbia entfernt, in der Ortschaft Cala Girgulu direkt am Meer. Der Vermieter der Ferienwohnung stellte uns zum Zwecke der Küstenerkundung 6 Seekajaks zur Verfügung. Daneben erwarben wir leihweise die gleiche Anzahl von Fahrrädern.

Nach einer kurzen Einführung in die Kunst des Paddelns durch Irmi und Manni, ist Jürgen bereits am zweiten Tag der Ferien so weit, den Gefahren der See ohne Angst ins Auge schauen zu können. In den nun folgenden Tagen erkunden die drei die Küste südlich und nördlich von Cala Girgulu und probieren in allen erreichbaren Buchten den Caffè, die Dolci und den Spritz. Angeblich schwimmen sie auch – wer glaubt´s? Die Höhepunkte der Seefahrt sind ohne Zweifel die Besuche der vorgelagerten Inseln, der felsigen Tavolara und der etwas gedrungeneren Molara. Um dahin zu kommen, braucht es schon etwas Mut, denn beide Inseln liegen ca. 5 km weit im Meer. Macht hin und zurück schon etwa 10 km.

Am folgenden Wochenende kommen noch Annette, Hüseyin und Guido mit dem bestellten Körnerbrot, der Peanutbutter, dem Mückenschutzmittel und Fenistil nach. Irmi, die Stechmücken etwas unterschätzend, sieht inzwischen wie eine Pubertierende in der Blüte ihrer Akne aus. Na, wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung.

Nach einer Paddeleinführung durch die Experten am nächsten Tag, werden auch die Neuankömmlinge mit ins Wasser genommen. Jetzt geht es zu sechst die Küste auf und ab. Auch die drei Frischlinge erweisen sich als gelehrige Schüler. Zu gelehrig, wie sich bald erweisen wird. Um die Paddelkunst noch mehr zu vertiefen, nimmt sich Irmi den Hüseyin vor und unterrichtet ihn auf etwas gehobenerem Niveau. „Wenn du dich etwas nach rechts lehnst, fährt das Boot auch nach rechts und andersherum“, lautet die Ansage der Lehrerin. Hüseyin nimmt es mit der Belehrung zu genau und verschwindet für kurze Zeit unter den Wellen. Als er wieder auftaucht, ist zum Glück die Paddelinstruktorin noch da und auch das Boot – allerdings kielüber und voller Wasser. So sieht die Paddeltaufe aus! Hüseyin nimmt es mit Humor, denn das Ufer ist zum Glück nicht weit. Jetzt geht es darum, den Schiffbrüchigen samt dem Fahrzeug und den sonstigen im Meer herumschwimmenden Utensilien an Land zu bekommen. Die Rettungsaktion gelingt, indem Hüseyin ans Ufer schwimmt und Irmi das Boot fachmännisch abschleppt. Die Folgen dieser Havarie sind weitreichend: Seit diesem Zeitpunkt vermisst Hüseyin seine Kappe, seine Brille und – man glaube es oder nicht – seine Badehose. Alle Anwesenden konnten jedoch im Nachhinein bezeugen, Hüseyin bekleidet aus dem Wasser kommen gesehen zu haben. Dieses Mysterium konnte bis zum Ende der Ferien nicht gelöst werden. Auch jetzt noch vermisst Hüseyin seine Badehose!

Um nicht nur die Oberkörpermuskulatur zu beanspruchen, geht es die folgenden Tage immer wieder mit den geliehenen Fahrrädern zum Biken. Die ersten Exkursionen führen uns die Küste entlang nach Süden und dann auch etwas weiter in Landesinnere. An der Küste teilt man sich die Straße noch mit recht vielen Autos. Das gilt hauptsächlich für die Nationalstraße Nr.125. Biegt man jedoch ins Landesinnere ab, ist der Verkehr schlagartig wie erloschen. Die kleinen Sträßchen sind in einem super Zustand, gehen jedoch ordentlich rauf und runter. Um die Hitze auszuhalten, haben wir immer viel zu trinken dabei und keine Eisdiele ist vor uns sicher. An einem der Tage in der zweiten Ferienwoche unternehmen Annette, Manni und Guido eine ausgedehnte Tour Richtung Siniscola zu dem Stausee Laguna di Posada. Das Dreierpeloton fährt zunächst recht flott bis nach Budoni. Ab da geht es dann bergauf bis Brunella. Hier die letzte Rast und dann hinab zum Stausee und dahinter wieder leicht ansteigend bis Punta sa Murta (640m). Es ist zwar kaum zu glauben, aber wir begegnen auf diesem 30 km langen Abschnitt nur 2 Fahrzeugen. Dabei ist die Landschaft atemberaubend schön. Steile Felsabstürze rechts und links des Fiume di Posada im Wechsel mit Pinienwäldern. Je weiter wir ins landesinnere kommen, desto mehr Korkeichen werden sichtbar. Man erkennt sie leicht an den abgeschälten Stämmen. Es überrascht uns, wie grün das Landesinnere ist, ein richtiger Kontrast zur Küste. Jetzt haben wir quasi 640 m Gefälle vor uns und das kosten wir auch gebührend aus. Nach nur 5 1/2 Stunden Fahrzeit (ohne Pausen) liegen 97 km Straße und 1.400 Höhenmeter hinter uns und wir sind wieder zurück in Girgulu.

Gemäß dem vorangestellten Motto sollte jetzt noch etwas mit Bergen und Bouldern kommen. Irmi und Manni haben sich vor Reisebeginn kundig gemacht und so wissen sie, dass es auf der bereits erwähnten Insel Tavolara spektakuläre Kletterrouten gibt und einen sogenannten „Normalweg“ auf die 565m hohe Punta Cannone. Also heißt es wieder, ab in die Boote und ordentlich eine Stunde lang ohne Pause paddeln. Auf der Insel angekommen, sind wir etwas ratlos, denn keiner weiß genau wo es hingeht. Im Führer steht, man möge den roten Punkten folgen. Neben dem Hafen entdecken wir eine Tafel mit dem Hinweis auf die Route. Die Piktogramme auf der Tafel sollen wohl potentiellen Begehern Angst machen. Wir sehen: Bergschuhe, Handschuhe, lange Hosen, Klettersteigset, Helm, einen Totenkopf, ….. Zum Glück können wir den Text nicht lesen – so gut italienisch kann niemand von uns. Na ja, wir waren ja alle schon mal auf einem Berg, so schlimm wird es doch wohl nicht werden, oder? Und Klettersteigausrüstungen haben wir ja schließlich auch dabei. Nach einigem Suchen finden wir die versprochenen roten Punkte. Sie führen uns etwas um das Kap herum. Es wird immer kraxeliger und unwegsamer und plötzlich stehen wir vor einer Tafel unterhalb einer fast überhängenden Wand. Hier ist wohl der Einstieg. Es ist zwar nichts zu sehen, aber da muss etwas sein. Klug wie wir sind, schauen wir um die Ecke und da ist wirklich ein Haken mit einem Stahlseil das irgendwo hin nach oben geht. Nur, um an das Seil zu kommen, müssen wir ungesichert einen langen Schritt über einen gähnenden Abgrund machen. Wir behelfen uns mit einer Seilschlinge.

Nachdem wir diese Passage überwunden haben, geht es erst wirklich ans Eingemachte. Annette und Manni werfen beim Anblick der sogenannten Via Ferrata sofort das Handtuch und klettern zurück. Jürgen ist sicherheitshalber erst gar nicht auf die Insel mitgekommen. Und so schaffen sich nur Irmi, Hüseyin und Guido die Bäume und Äste hoch. Wie, Bäume und Äste? Na ja, an den senkrechten und überhängenden Stellen des Steiges sind einfach gefällte Bäumchen dürre Ästchen an dem Fels befestigt worden, und die muss man hochklettern. Das schlimmste ist, dass sich diese Ästchen schrecklich durchbiegen und wackeln. Ich komme mir vor wie ein Affe, doch die Affen haben den Vorteil, dass sie sich auch mit den Hinterbeinen noch festhalten können. So geht es eine ganze Zeit lang weiter, bis wir schließlich in leichteres Gelände kommen. Aber auch hier sind viele Passagen seilversichert. Nach etwa 21/2 Stunden sind wir auf dem Gipfel und genießen einen traumhaften Blick auf das Meer, die vielen kleinen Inseln und das „Festland“. Richtige Euphorie – so eine richtige Gipfeleuphorie – die will aber nicht aufkommen. Es liegt wohl daran, dass jeder von uns an den bevorstehenden Abstieg denkt. Außerdem ist es schon verdammt spät und wir müssen noch im Hellen zurück zu unserer Bucht. Viel Zeit können wir uns da nicht lassen. Das alles macht ordentlich Stress! Schritt für Schritt arbeiten wir uns den Fels hinab. Beim Hochklettern sah man wenigstens noch, wo die Füße hinstellen, aber jetzt? auch das schaffen wir schließlich irgendwie. Als wir um die letzte Kurve klettern, sehen wir Annette am Einstieg. Sie ist unten noch etwas herumgekraxelt und kam uns dann wieder entgegen. Ist das schön! Schwupp, und schon ist das blöde Gefühl weg! Wir sind ziemlich kaputt aber glücklich.

Jetzt nur noch schnell in die Boote und zurück. Es ist schon ziemlich spät und der mittags aufgekommene Wind hat immer noch nicht nachgelassen. Und so paddeln wir in der einbrechenden Dunkelheit unserer Bucht entgegen. Die Wellen tragen inzwischen kleine Krönchen und dann ist auch die Sonne weg. Der Himmel verfärbt sich rot und langsam weicht das Rot einem leichten Blau. Unser Ufer sehen wir nur noch als schwarze Silhouette. Dann wird das Meer plötzlich ganz still und kurz darauf tauchen aus der Dunkelheit unsere Freunde die Ungeheuer auf. Wir gleiten zwischen ihnen hindurch und das ist etwas gespenstisch.

Jürgen hat inzwischen die Küstenwache alarmiert.

 

Guido Künzel